Die Industrie 4.0 verspricht die totale Vernetzung von Produkten, Prozessen und Systemen. Neue Technologien rücken Maschinen in den Fokus und die künstliche Intelligenz ist der menschlichen Intelligenz teilweise bereits überlegen. Die «digitale Revolution» wird unseren Alltag markant verändern und die Menschheit bereichern. Zweifellos. Genauso stark bereichert uns aber zwischenmenschliche Vernetzung, gegenseitiger Austausch, gemeinsame Entwicklung von Ideen. Und zwar von Mensch zu Mensch, Face to Face.
Zwischenmenschliche Vernetzung ist nicht zuletzt im Beruf zentral. So auch im Legal Team von SWITCH. Ein Beispiel ist unsere Mitgliedschaft bei CENTR, einer Vereinigung der Registrierungsstellen länderbezogener Domain-Namen der ersten Ebene (ccTLDs) in Europa. Dazu gehören zum Beispiel .ch für die Schweiz oder .de für Deutschland. Für Juristen findet dreimal jährlich das CENTR Legal and Regulatory Meeting statt. Durch den Austausch mit Anwälten anderer Registries entstehen vertrauensvolle Verbindungen. Sie erleichtern ein Vordringen in neue Bereiche.
An diesen Treffen kann ich mir jeweils mehr Fachwissen aneignen, als bei wochenlangem Wälzen juristischer Werke. Dazu eine Anekdote des letzten Treffens in Oxford: Hauptthema war Datenschutz und die Implementierung der neuen EU-Datenschutzgrundverordnung (DSGVO). Besonders intensiv wurde das Thema WHOIS diskutiert, das nach DSGVO in der heutigen Form nicht mehr erlaubt ist. Die WHOIS-Datenbank ermöglicht allen Interessierten einen Zugang zu Angaben über Domain-Namen-Halter wie Name und Adresse in Echtzeit. SWITCH muss seine WHOIS-Datenbank aber nicht anpassen, da wir als Drittstaat-Unternehmen EU-Recht nicht gleichermassen umsetzen müssen und eine Eigenheit im Schweizer Recht die Publikation der Daten erlaubt. Mit der juristischen Argumentation möchte ich niemanden langweilen. Ich habe diese in Oxford aber vertreten und zunächst scharfe Kritik geerntet. Auch beim Abendessen wurde ich mit juristischen Fragen gelöchert. Schlussendlich versammelten sich rund 20 Teilnehmende an meinem Tisch und die Diskussion mündete in eine offene Debatte zum neuen Datenschutzrecht. Jeder gab seine Strategie bei der Umsetzung preis, kritisierte, stellte Fragen und teilte Unsicherheiten. Es ging nicht darum, Recht zu bekommen. Vielmehr wollte man auf Risiken hinweisen und einen Konsens finden. Obwohl alle übermüdet waren von der Reise und dem Meeting, diskutierten wir bis weit in die Nacht hinein.
Eine Anwältin der finnischen Registry flüsterte mir einmal zu: «Anna, this is the most important part of the meeting. Despite all the books and lectures on data protection. Right now with these experts you benefit the most!» Damit traf sie ins Schwarze. Ich hatte eine Schar bestausgebildeter erfahrener Anwälte um mich. Wofür ich sonst viel Zeit investiert oder teure Gutachten in Auftrag gegeben hätte, wurde mir hier in familiärer Atmosphäre auf dem Silbertablett serviert. Wir haben in der nächtlichen Diskussion nicht für alle, aber für viele der juristischen Knackpunkte eine Lösung gefunden. Als ich am nächsten Tag nach Hause flog, fühlte ich mich in unserer Argumentation zum WHOIS bestärkt, da diese kritisch beleuchtet aber schliesslich nicht gekippt wurde. Noch besser war aber das Gefühl, sich in einem vertrauten Umfeld auf professionelle Unterstützung verlassen zu können. Dies mit der Gewissheit, der Hilfe vertrauen zu können, da man im selben Boot sitzt und am selben Strick zieht. Eine Maschine kann noch so intelligent sein, dieses Gefühl wird sie nie ersetzen können. Es wird immer wichtig sein, in manchen Momenten den Stecker zu ziehen.